Streit um die Hosen und um die eheliche Oberherrschafft. A 91 / Druck u. Verlag v. C. Burckardt's Nachf. in Weissenburg (Elsass)'.2012,7020.6 © The Trustees of the British Museum, CC BY-NC-SA 4.0
Streitarena Marktplatz
![Ausschnitt aus einem Gemälde: Menschen werden handgreiflich auf dem Marktplatz](fileadmin/_processed_/files/9/6/csm_06_Vorschlag_Opener_Markt_Exp_1_8_Ausschnitt_AB_f6ac670bbf.jpg)
Der Marktplatz war in der Frühen Neuzeit ein zentraler und öffentlicher Ort. Parallel zum Handel, der Zerstreuung und Unterhaltung wurde hier auch diskutiert, gestritten und - für alle sichtbar - bestraft. Flugblätter, Flugschriften, Zeitungen oder satirische Druckgrafiken erlaubten den Marktbesucher:innen, an den Streitfällen teilzuhaben.
Marktfrauen auf dem Platz Maubert in Paris, Radierung
von Jacques Aliamet nach einem Gemälde von Etienne
Jeaurat, 1753, Reproduktion
Seit dem 14. Jahrhundert, der Zeit, in der die Hose zum männlich assoziierten Kleidungsstück wurde, war der sogenannte »Streit um die Hosen« vor allem im mitteleuropäischen Raum ein verbreitetes Erzähl- und Bildmotiv. Zahlreiche überlieferte Kupferstiche, Holzschnitte oder Radierungen zeugen heute davon. Entweder stritt ein Ehepaar um eine Hose oder mehrere Frauen rangen um sie und hinterfragten die Vorherrschaft des Mannes.
Streit um die Hosen und um die eheliche Oberherrschafft. A 91 / Druck u. Verlag v. C. Burckardt's Nachf. in Weissenburg (Elsass)'.2012,7020.6 © The Trustees of the British Museum, CC BY-NC-SA 4.0
Schmähgedichte und Druckgrafiken in Büchern erreichten über den Marktplatz hinaus in Büchersammlungen und Bibliotheken einen breiten Adressat:innenkreis. Beide streitenden Seiten wussten im 18. Jahrhundert dieses Medium gezielt einzusetzen.
Christiane Marianne von Ziegler war eine erfolgreiche Schriftstellerin und stand als Gründerin eines der ersten literarisch-musikalischen Salons in Leipzig im Licht der Öffentlichkeit. Johann Sebastian Bach (1685–1750) vertonte als Thomaskantor ihre Kantatentexte und Johann Christoph Gottsched (1700–1766) druckte in der moralischen Wochenschrift Die vernünftigen Tadlerinnen ihre Artikel. Immer wieder musste sie ihre Arbeit als Dichterin und Poetin öffentlich verteidigen:
Man wird auch kein Gesetze anführen können, welches die Weiber ausschliesset, der Weisheit nachzugehen, die man durch Wissenschaften erlangen kann. Doch ist zu beklagen, daß so bald sich nur ein edler Trieb zu der und jener Wissenschaft, bey einem oder dem andern Frauenzimmer äussert; so bald es die Feder ergreifet, […] es sich harten Urtheilen, Lästern, Schmähen, und dem empfindlichsten Begegnungen ausgesetzet sehen muß.
1733 verlieh ihr die Universität Wittenberg die kaiserlich privilegierte Dichterkrone einer »Poeta laureata«, die auf einen antiken Brauch zurückgeht. Die Verleihung des akademischen Grades erlaubte es ihr, an den Universitäten des Reiches zu lehren. Dies war ein Aspekt, den einige Studenten einer Frau nicht zugestehen wollten. In Schmähgedichten würdigten sie ihre schriftstellerische Arbeit herab und machten sie lächerlich.
Poeten! werfft die Feder hin,
Und laßt euch Stricke=Nadeln reichen,
Denn eine tolle Dichterin
Mißbraucht iezt eurer Mannheit Zeichen […]
Schau, Celtes, Du gekrönter Held
Aus Deines Grabes Finsternißen
Wie schändlich die verkehrte Welt
Hat Deinen Kranz herum gerißen,
Sag Opiz, macht der Kranz die Dichter?
Macht das Diploma uns gelehrt?
Jezt, da der Kranz auch Narren ehrt,
Beschimpfft er euch, ihr großen Lichter,
Sonst ward ihr Ruhm- und Lorbeer-reich,
Jezt seyd ihr einem Weibe gleich.